Der Rotmilan, Vogel des Jahres 2000
von Joachim Weber, Naturparkverwaltung Drömling
 
Die wohl stattlichste und eindrucksvollste Erscheinung unter unseren heimischen Greifvögeln ist der Rotmilan (Milvus milvus). Auffällig sind die charakteristischen Steuerbewegungen seiner Schwanzfedern sowie sein schon fast anmutig wirkender Gleitflug unter Ausnutzung der aufsteigenden warmen Luftschichten. Zum Thermiksegeln befähigen ihn vor allem die langen Schwingen, die einen verhältnismäßig leichten Körper tragen. Der Rotmilan gehört zu den Taggreifen und bevorzugt als Brutrevier lichte Mischwälder mit angrenzender Kultursteppe.

 
Er kann unter optimalen Lebensbedingungen ein Alter von 25 Jahren erreichen. Der Milan zählt zu den Vorboten des Frühlings, bereits Ende Februar bis Anfang März treffen die ersten Vögel in ihren Brutrevieren ein. Sie leben in Dauerehe und nach erfolgter Balz beginnt das Weibchen Ende März mit der Eiablage. In der Regel sind es 2-3 ovale bläulich-weiße Eier, die sich im Verlauf der Brutzeit noch etwas verfärben. Mit dem Schlupf der Jungen, etwa Ende Mai, beginnt für die Altvögel die Phase der ständigen Nahrungsbeschaffung, um die hungrigen Schnäbel zu stopfen. Dabei ist in den ersten Lebenswochen der Jungvögel hauptsächlich das Männchen damit beschäftigt, Nahrung zum Horst zu tragen, die dann vom Weibchen an die Jungen verfüttert wird. Diese besteht überwiegend aus Kleinsäugern, wie Mäusen und Hamstern, aber auch Junghasen und Aas stehen auf dem Speisezettel.
 
Dabei ist der Rotmilan ein ausgesprochener Suchflieger, er schlägt seine Beute also aus dem Flug heraus. Dies unterscheidet ihn von dem bei uns recht häufig vorkommendem Mäusebussard, der von einer Sitzwarte aus auf seine Beute lauert, um sie dann auf der Erde zu schlagen. Etwa Mitte August begleiten die nun schon fast ausgewachsenen Jungvögel die Eltern auf ihren Jagdflügen.
 
Der Rotmilan ist ein Zugvogel und verläßt im Oktober unsere Breiten, um in die Überwinterungsgebiete im nördlichen Mittelmeerraum bis zum Nordiran zu fliegen. Mit bis zu 2500 Brutpaaren ist der Rotmilan auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertreten, wobei seine größte Dichte in Sachsen-Anhalt mit etwa 130 Brutpaaren im Hackel ermittelt wurde.
 
Aber auch der Drömling mit seinen reich strukturierten Horstwäldern und den eingestreuten Grünlandbereichen stellt ein bevorzugtes Areal für den Rotmilan dar. So konnten an Hand einer Brut­vogelerfassung für den Naturpark Drömling 60-70 Brutpaare ermittelt werden. Regelmäßig ist er in allen Drömlingsdörfern bei der Nahrungssuche zu beobachten. Dabei scheut er keinesfalls die Nähe des Menschen. Er versucht auch Speisereste und ähnliches in seinen Besitz zu bringen. Im Sommer konnte sogar ein Rotmilan beobachtet werden, der ein qualmendes Steak von einem Grill entwendete.
 
Wenn es auch den Anschein hat, daß der Rotmilan bei uns recht häufig vorkommt, ist die Art insgesamt bedroht. Lediglich die BRD und Spa­ien weisen noch stabile Populationen auf. Grund genug, den Rotmilan in die “Rote Liste" der gefährdeten Arten aufzunehmen. Hieraus wird ersichtlich, welch hohe Verantwortung wir für diese Art haben. Die Technisierung in der Land- und Forstwirtschaft in den letzten Jahr­zehnten sowie eine immer weiter greifende Lebensraumzerstörung haben eine akute Gefährdung der Art zur Folge. Nur seine unglaubliche Fähigkeit, sich anzupassen und auf andere Nah­rung auszuweichen, haben einen Zusammenbruch des Bestandes bisher verhindert.