Den Störchen in den Schnabel geschaut von Krista Dziewiaty, Seedorf
Endlich hat es geklappt: das schon seit Jahren geplante Projekt, die Drömlinger
Störche bei der Wahl ihrer Nahrungsflächen und ihrer Nahrungstiere zu beobachten!
Zwar kam im März 2000 vom Regierungspräsidium Magdeburg erstmal lediglich die Genehmigung
zum vorzeitigen Projektbeginn zum 1. April. In der frohen Erwartung, auch die endgültige
finanzielle Zusicherung in Kürze zu erhalten, haben wir dann jedoch sofort mit der
vorbereitenden Arbeit begonnen. Leider wurden wir auf eine harte Probe gestellt,
die offizielle Genehmigung kam erst im Oktober, als die Störche schon lange verschwunden
und die ganze Arbeit getan war. Zu guter Letzt überwog dann jedoch die Freude, dass
es doch noch geklappt hat.
Der offizielle Titel des Projektes lautet: „Untersuchungen zur Nahrungsflächenwahl
und zur Nahrungswahl ausgewählter Weißstorchpaare im Naturpark Drömling“. Beginnend
mit der Ankunft der ersten Störche im Naturpark Drömling wurde Anfang April auch mit
der Arbeit begonnen. Dazu gehörte vor allem erstmal die Einarbeitung der verschiedenen
Mitarbeiter. Von der Naturparkverwaltung Drömling wurden Fr. Blume und H. Weißgerber
abgestellt, um sehr intensiv bei dem Storchprojekt mitzuarbeiten. Fr. Blume, die ein
freiwilliges ökologisches Jahr in der Naturparkverwaltung absolvierte und H. Weißgerber,
ein Zivildienstleistender, wurden unter der Regie von H. Sender eingeteilt, vornehmlich
die am Rande des Drömlings liegenden Nester zu beobachten. Wir hatten vor, jeweils
drei Neststandorte im ausschließlichen Grünlandbereich im Kerngebiet des Drömlings
und drei Nester im Randbereich, die vornehmlich von Ackerflächen umgeben waren, zu
vergleichen. Und zwar sollten sogenannte Optimalstandorte, das sind aufgrund der
jahrelangen kontinuierlichen Besetzung und des guten Bruterfolges die Nester inmitten
der Grünlandareale, mit suboptimaleren Standorten in den Randbereichen des Drömlings
verglichen werden.
Abb. 1: Weißstorch auf Nahrungssuche. Foto: D. Sundermann
Nun war es im April bei der Ankunft des ersten Storches noch nicht möglich zu sagen,
ob hier auch eine erfolgreiche Brut stattfinden würde. Denn für unser Vorhaben brauchten
wir Storchenpaare, die auch Junge füttern mußten, da sie nur dann ständig auf intensiver
Nahrungssuche sind. Sich selber satt zu bekommen, ist für die Altstörche im Sommer
zumeist kein Problem. Daher haben wir im April und auch noch im Mai, bis zum Schlupf
der Storchenküken, noch mehr Storchenpaare beobachtet, um nachher dann auch die richtigen
drei, nämlich die mit Jungen, dabei zu haben. Insofern wurden von Fr. Blume und
H. Weißgerber in dieser Zeit die Paare in Rätzlingen, Wassensdorf, Weddendorf,
Breitenrode und Bösdorf beobachtet. Als repräsentativ für reine Grünlandstandorte
wurden die beiden Nester am Schwarzen Weg, die Nester Belfort, am Zuschlagsdamm
und an der Straße zwischen Röwitz und Buchhorst ausgewählt. Diese „Grünlandpaare“
wurden dann von meiner Mitarbeiterin, die zufällig auch Blume heißt, und mir beobachtet.
Unser Ziel war es zuerst einmal, die Störche beim Abflug zu verfolgen, um herauszufinden,
welche Flächen sie zur Nahrungssuche aufsuchen. Denn Flächen, die von den Weißstörchen
zum Beutefang aufgesucht werden, sind auch für eine Vielzahl anderer Tiere sehr wichtig.
Insofern hat die Naturparkverwaltung mit den Ergebnissen dieser Arbeit eine Handhabe,
die für den Naturschutz wichtigen Flächen zu kennzeichnen und damit zu argumentieren.
Die Weißstörche erscheinen ab Ende März hier im Brutgebiet. In anderen Untersuchungen
wurde bereits herausgefunden, dass die zuerst ankommenden Störche zumeist auch die besten
Neststandorte besetzen und dadurch oft einen besseren Bruterfolg als die später ankommenden
Störche haben. Für die Drömlinger Störche wurde dieses Ankunftsdatum von H. Sender für
das Jahr 2000 exakt festgehalten, so dass hier schon ein Kriterium für die Beschreibung
eines Nistplatzes vorhanden ist.
Die ersten Storchenküken schlüpften ab Anfang Mai, nach etwa 4 Wochen Brutdauer. Die
jungen Küken gucken in den ersten Lebenstagen zwar noch nicht über den Nestrand, man
kann bei intensiver Beobachtung jedoch sofort am Verhalten der Eltern den Schlupf
bemerken. Nun konnten wir uns endgültig für jeweils drei Neststandorte entscheiden.
Als „Ackerstandorte“ wurden Rätzlingen, Wassensdorf und Breitenrode ausgewählt, als
„Grünlandstandorte“ die beiden Nester am Schwarzen Weg und Belfort. Diese ausgewählten
Storchenpaare wurden sehr intensiv über jeweils mehrere Stunden an mindestens 1 Tag
die Woche beobachtet. Dabei wurde versucht, die Störche zu ihren Nahrungsflächen zu
verfolgen und dann auch die aufgenommenen Nahrungstiere zu bestimmen und zu zählen.
Dies hört sich natürlich alles viel einfacher an, als es wirklich ist. Allein schon
einen Storch, der sich beim Abflug vom Nest nicht an die Straßenführung hält und
nicht auf uns wartet, im Gelände wiederzufinden! Gerade im Frühjahr, wo man „seinen“
Storch noch nicht so gut kannte und die Ecken wußte, die er zur Nahrungssuche bevorzugte,
waren diese Verfolgungen oft vergeblich. Dann mußte man zurück zum Nest und warten
(oft stundenlang), bis der Storch zurückkam, die Wachablösung erfolgte und der Partner
losflog. Schnell hinterher und wieder sein Glück versuchen. Hatte man den Storch dann
wirklich wiedergefunden, wollten wir ihn ja bei der Nahrungsaufnahme beobachten und
dokumentieren, was und wieviel er frißt. Dazu benutzten wir ein Spektiv, ein feststehendes
Fernrohr mit großer Vergrößerung, mit dem man die Nahrungstiere erkennen konnte.
Der Storch mußte er sich allerdings auch so im Gelände bewegen, dass er gut zu beobachten
war. Die „Grünlandstörche“ suchten im Frühjahr besonders gern die Gräben auf, in
denen sie oft völlig verschwanden und nur alle paar Minuten mal der Kopf herausstreckten.
Hier war es so gut wie unmöglich, zu sehen, was der Storch fraß. Nur ganz wenige
Einzelbeobachtungen ließen darauf schließen, dass er sich hier von dicken Amphibien
ernährte, die die Gräben zum Ablaichen aufsuchten. Aber unser Ziel, die Anzahl der
aufgenommenen Nahrungstiere in einer bestimmten Zeit zu zählen, konnten wir in
diesem Nahrungsbiotop vergessen.
Bei der Beobachtung der Grünlandstörche hatten wir festgestellt, dass wir uns mit
dem Fahrrad auf den oft sehr unwegsamen Feldwegen wesentlich besser den Störchen
hinterher bewegen können als mit dem Auto. Ein kleines Problem war jedoch unsere
Ausrüstung. Neben Fernglas, Spektiv und dazugehöriges Stativ, Stoppuhr, Protokollbogen,
Schreibzeug, Kleidung für kaltes, warmes und nasses Wetter mußte auch noch die äußerst
wichtige Tagesverpflegung mit Thermoskanne verstaut werden. Und bloß die Luftpumpe
nicht vergessen! So ausgerüstet waren wir dann den ganzen Tag den Störchen auf den
Fersen. Die Beobachter der „Ackerstörche“ versuchten ihr Glück zumeist mit dem Auto,
bei kürzeren Nahrungsflügen auch zu Fuß. Da es jedoch auch hier oft sehr schwierig war,
die Störche wiederzufinden, haben sich die beiden Beobachter zeitweise gemeinsam ein
Storchenpaar vorgenommen. Einer hat sich am Nest plaziert, der andere mit dem Auto im
Gelände, in der zu erwartenden Abflugrichtung. Über Sprechfunk verständigte dann der
Nestbeobachter den Geländebeobachter über die Abflugrichtung des Storches, der ihn dann
am Himmel suchte und verfolgte. So kam es z.B. zu der erstaunlichen Beobachtung, dass
ein Storch im Frühjahr ca. 8 km zu einer Nahrungsfläche flog. Solche weiten Nahrungsflüge
wurden bisher nur sehr selten dokumentiert. Bei diesen „Verfolgungen“ waren wir immer
bedacht, die Störche nicht zu stören. Auf den Flächen reagieren sie nämlich auf den
Menschen wesentlich scheuer als am Nest. So haben wir grundsätzlich nur von den Wegen
aus beobachtet und einen größtmöglichen Abstand gehalten.
Nach dem Schlupf der Jungen bleibt in den ersten 3 Lebenswochen immer einer der
Altstörche am Nest, um die Jungen zu bewachen und vor Kälte, Nässe und auch vor
zu starker Sonneneinstrahlung zu schützen. In dieser Zeit entfernt sich der zweite
Altvogel genau wie in der Brutzeit möglichst nicht sehr weit vom Nest. So kann er
bei einer drohenden Gefahr durch Konkurrenten immer schnell am Nest sein und dem
Partner bei der Verteidigung helfen. Gerade im Drömling halten sich in den Sommermonaten
sehr viele sogenannte „Nichtbrüter“ auf. Das sind zumeist junge Störche, die noch nicht
geschlechtsreif sind und sich den Sommer über in größeren Trupps im Brutgebiet befinden.
Dies ist zwar immer ein gutes Zeichen, da sie die Brutreserve für das nächste Jahr sind,
allerdings stellen sie für die Brutstörche auch eine Bedrohung dar. Die Nichtbrüter
vagabundieren im Gebiet umher und stören die anderen Störche beim Brutgeschäft, die
Nester werden immer sofort und auch sehr agressiv verteidigt. Hierbei kann es dann
zum Verlust von Eiern oder Küken kommen. In der bewachten Zeit der Jungenaufzucht
hat man häufig Glück und findet den nahrungssuchenden Storch im engeren Umkreis zu
dem Nest.
Abb.2: Nichtbrütertrupp im Drömling. Foto: D. Sundermann
Wenn die Jungstörche etwa 3 Wochen alt sind, entfernen sich
oft auch beide Altvögel, um Futter für den immer hungrigen Nachwuchs heranzuschaffen.
In dieser Zeit entfernen sich die Störche oft sehr weit von den Nestern und bleiben
häufig auch stundenlang fort. Sie schrauben sich in den warmen Aufwinden, oft so um
die Mittagszeit, sehr hoch empor, so dass man sie nur noch als ganz kleinen Punkt am
Himmel sieht, und lassen sich dann wie ein Segelflieger davontragen. Dann ist es
unmöglich, den Storch zu verfolgen und wiederzufinden.
Unser Ziel, neben den Nahrungsflächen auch die Nahrungstiere zu ermitteln, erforderte
neben einem sehr guten Sehvermögen zumeist auch sehr viel Geduld. Die meisten Nahrungstiere
der Störche sind durch das Spektiv relativ gut zu erkennen, auch kann man aus der Art der
Fangtechnik und der Wahl des Nahrungsbiotopes Rückschlüsse auf die Beutetiere ziehen.
So sind z.B. in den Frühjahrsmonaten Regenwürmer eine sehr wichtige Beute für die Störche.
Regenwürmer sind nur in gut durchfeuchteten Böden für die Störche verfügbar, bei Trockenheit
ziehen sie sich weit in ihre Röhren zurück. Regenwürmer werden von den Störchen erst
hochgeworfen, bevor sie sie abschlucken. Amphibien werden zur Laichzeit vornehmlich an
den Uferrändern von Gewässern erbeutet, der Storch schreitet dann die Ufer ab und fängt
die ins Wasser flüchtenden Frösche. Im Sommer werden die jungen Frösche auch auf den Wiesen
gefangen. Eine weitere wichtige Beutetierart der Störche sind Mäuse, die in einigen Jahren
in den Sommermonaten in Massen auftreten können. Mäuse haben einen wesentlich geringeren
Wasser- und höheren Fettanteil als beispielsweise Amphibien und sind für die Störche
richtige Kalorienbomben. Oftmals haben die Störche, und mit ihnen beispielsweise auch
mäusefangende Greifvögel oder Füchse, in Jahren mit Massenvorkommen der Feldmaus, einen
sehr guten Bruterfolg. Da die Mäusebestände jedoch von Jahr zu Jahr stark schwanken, ist
dieses keine zuverlässige Nahrungsquelle für die Störche. Verläßlicher ist da schon das
Fangen von Heuschrecken in den Sommermonaten. Auf den Wiesen m Drömling wurden ab Juli
Heuschrecken auch oft in großer Zahl gefangen. Als Besonderheit an Nahrungstieren konnte
das Fressen der Schwarzen Wegschnecke beobachtet werden, die in den feuchteren Bereichen
des Drömlings sehr zahlreich vorkommt.
Wir haben die Störche möglichst immer eine Viertelstunde lang bei der Nahrungsaufnahme
beobachtet und die Art und Anzahl der aufgenommenen Nahrungstiere im vorgefertigten
Protokoll registriert. Es gab natürlich auch immer wieder Fälle, in denen die Beutetiere
nicht eindeutig angesprochen werden konnten. Dann wurden sie lediglich beim Abschlucken
gezählt und als große oder kleine Nahrungstiere registriert. Das Ganze haben wir mittels
einer Stoppuhr gemacht. So konnten wir die Zeit, in der entweder eine Kuh den Storch
verdeckte oder er hinter einer Hecke verschwand, als „Auszeit“ nehmen. So wurde wirklich
nur die Zeitspanne, in der wir den Storch auch im Blick hatten, protokolliert.
Aus den Beobachtungen zu den Nahrungstieren erhoffen wir, bei der Auswertung Unterschiede
zwischen den Grünland- und Ackerstörchen zu erhalten. Weitere wichtige Punkte der
Auswertung sind die Entfernung der Nahrungsflächen vom jeweiligen Neststandort im
Vergleich zur Jungenzahl. Aus diesen und verschiedenen anderen Ergebnissen können
ganz konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Nahrungssituation der Drömlinger Störche
gegeben werden.
Leider kann ich an dieser Stelle noch keine konkreten Ergebnisse nennen, die Auswertung
ist noch in vollem Gange. Geplant ist jedoch die Darstellung des Projektes mit Ergebnissen
auf der Jahresmitgliederversammlung der Aktion Drömling Schutz, sicher werde ich sie auch
in der nächsten Rohrpost schon näher erläutern können. Bei dem umfangreichen Datenmaterial
durch die kontinuierliche Arbeit von 4 Beobachtern ist dazu eine bisher als einmalig zu
bezeichnende Fülle an Beobachtungsergebnissen zusammengekommen, deren Auswertung natürlich
auch einiger Zeit bedarf.
An dieser Stelle möchte ich mich den Mitarbeitern der Naturparkverwaltung, vor allem
H. Sender, Fr. Blume und H. Weißgerber für die äußerst intensive Einsatzbereitschaft
bedanken. Auch der Aktion Drömlingschutz möchte ich für das in mich gesetzte Vertrauen
bei der Betreuung des Projektes danken.